Unser mini Waldgarten, Teil 1

„Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel!“

Charles Darwin

Geschichte

Bitte denken Sie an einen typischen Wald! Was sehen Sie vor Ihrem inneren Auge? Ein Idyll aus hoch aufragendem Grün, das Flüstern des Laubes, ein geheimnisvolles Knacken im Unterholz, zwitschernde Vögel, der frische Geruch nach Moos gemischt, mit dem Duft lebendiger Urtümlichkeit aus Pilz und modrigem Laub. Ein funktionierendes Ökosystem.

Ich sehe von hohen Baumkronen überspannte, abgesägte, in Verwesung befindliche Baumstümpfe neben eingefahrenen Forstwegen mit kleinen Regenpfützen. Oft wimmeln sie vor Zuckmückenlarven.
Alternativ? Monokulturen aus düsteren Nadelholzstangen, dicht an dicht.

Doch gerade entwickelt sich (in mir) ein neues Verständnis von „Wald“, einen sehr altes Verständnis: Bereits 1819 schrieb Heinrich Cotta in seinem Werk „Baumfeldwirthschaft“ von essbaren Feldfrüchten, Holzproduktion in Kombination mit extensiver Viehhaltung in waldartigen Gärten. Er versprach sich schon damals eine bessere Grundversorgung der Bevölkerung. Zum einen wegen der langfristigeren Stabilität der Ernteerträge, zum anderen wegen des verhältnismäßig geringen Pflegeaufwandes.

Religionshistorisch kann aber noch weiter in die Vergangenheit zurück geblickt werden, denn bereits in der Bibel steht das Paradies (Altiranisch: pairi daēza) für einen eingezäunten Baumgarten (Teichert.Wolfgang, Gärten: Paradiesische Kulturen, Stuttgart 1986, S. 10 f.).

Nun stellt sich die Frage: Wenn dieses Ackerbau-Prinzip (hypothetisch) einfach anzuwenden, leicht zu pflegen und ertragreich sei, warum ist es nicht längst zur gängigen Praxis geworden? Die Antwort ist erschreckend. Haben Sie schon mal etwas von der „Bodenreinertragslehre“ gehört?

 

Vor den ausufernden Recherchen zum Thema „Zukunftsgärten“ war mir dieses Prinzip auch kein Begriff. Es klang in meinen Ohren wie eine Wortneuschöpfung der Nationalsozialisten. Doch ist die Bodenreinertragslehre Jahrhunderte älter. Es bezeichnet das im 17 Jahrhundert von Adeligen und Industriellen entwickelte Verständnis von Wald als Kapitalanlage. Rentabilität und Konkurrenzfähigkeit waren oberstes Gebot. Da hatten Mispeln, Wein, Johannisbeeren und Huteschweine keinen Platz.

Mit den Jahren ging diese Denkweise ins kollektive Verständnis ganzer Nationen über und spiegelt sich noch heute in so genannten Stangenwäldern wieder, Monokulturen in Reih und Glied. Den Gipfel besagter Entwicklung liefert die Uno-Einrichtung FAO (Food and Agriculture Organization). Ein forstwirtschaftlich nutzbarer „Wald“ beginnt für sie schon bei 10 Prozent Kronenüberdachung. Das Vorhandensein von Bäumen sowie ein Fehlen anderer vorherrschender Nutzungsformen genügt als Definition für einen Wald.

 

 

Was sind also die Vorteile eines Waldgartens?
– höhere Flächenerträgeimg_20220315_132741
– Ressourcen und Arbeitskraft schonendes Wirtschaften
– positive Co2 Bilanz
– langfristig stabile Systeme
– leicht umzusetzende, artgerechte Tierhaltung in einem …
– … „natürlichem“ Nährstoffkreislauf
– ästhetisch ansprechend
– gesunde, abwechslungsreiche Nahrung

 

Doch wie fängt man an, sich an das Thema Waldgarten heranzutasten?
Zunächst mit einem grundsätzlichen Umdenken! Wir kontrollieren nicht die Natur sondern entfesseln ihr Potenzial! Begriffe wie Schädlinge, Unkraut und Pflanzenkrankheiten werden über kurz oder lang ihre Bedeutung ändern und nicht mehr zu kleingärtnerischen Ausrottungsanfällen führen. Denn gelingt die Übertragung des Systems „Wald“ in den Garten, etablieren sich selbstregulierende Stoffkreisläufe, in die nur minimal eingegriffen werden muss und sollte. Meist weiß sich „die Natur“ in einer Schädlings-Nützlings-Schaukel besser zu helfen als ein Mensch es mit der Spritzdüse je könnte.

Durch die vielen Nahrungsnetze und komplexe Wechselbeziehungen aus Pflanzen-Tieren-Pilzen-Bakterien (Biozönosen), fehlt dem Gärtner sowieso zwangsläufig der Überblick. Bereits die im Boden (meist unsichtbaren) Vorgänge an denen Quadrillionen Kleinstlebewesen beteiligt sind, übersteigen zumindest mein Begriffsvermögen. Verabschieden wir uns also von dem Gedanken die Kontrolle zu besitzen. Nicht umsonst haben ganze Generationen von Wissenschaftlern, Förstern und Spezialisten versucht, dieses Zusammenspiel umfassend zu analysieren und verstehen und sind (meist jeder für sich im Einzelnen) gescheitert. Das soll uns aber nicht davon abhalten, jenes über Jahrhunderte der Naturbeobachtung und Forschung angesammelte Wissen zu sichten und anzuwenden. Hierbei gilt es aus den Erkenntnissen und Fehlern ANDERER zu lernen.


Ungenügende Wasserversorgunghdr
Neupflanzungen benötigen in der Anfangszeit regelmäßig Wasser, sehr viel Wasser. Vorab klären ob Regenwasser aufgefangen werden kann, oder ein Tankwagen/Brunnen etc. vorhanden ist. Nach zwei bis drei Jahren ist keine Bewässerung mehr nötig.

 

 

 

 

Ungeduld

IMG_20220303_181752Baum gepflanzt und opulenter Obstertrag? Fehlanzeige! Fünf lange Jahre dauert es von der Pflanzung eines einjährigen Hochstamm-Obstbaumes bis zur ersten Frucht. Denken sie langfristig und üben Sie sich in Geduld, es rentiert sich! Frei nach Konfuzius: „Ist man in den kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern!“



 

 

FIMG_20210727_150749ehlende Vielfalt

Seien Sie mutig bei der Auswahl Ihrer Pflanzen und Tiere. Warum nicht eine alte, unbekannte, vielleicht vom Aussterben bedrohte Sorte oder sogar eine gewagte Neuzüchtung? Warum nicht zu „Exotischem“ wie Maronen, Gochi oder Mispeln greifen? Eine breite Vielfalt birgt das größte Potenzial für eine ertragreiche Ernte und einen gesunden Waldgarten.

 

 




Fehlendes Konservierungs-Know-How

PlötIMG_20210725_193449zlich stapeln sich 20 Kilo Mairübchen, zwei Pfund Pflaumen, drei Eimer Johannisbeeren und eine Bataillon Kürbisse im Keller. Stellt sich die Frage: Was damit machen? Binnen kürzester Zeit werden bei Raumtemperatur viele der reifen Früchte verderben. Wie also konservieren? Setzen Sie sich rechtzeitig mit Dörren, Fermentieren, Einwecken, Einmieten und ja, auch Kompostieren auseinander. Fragen sie auch mal ihre Oma oder ihre Tante. Oft schlummert dort verstecktes Konservierungs-Wissen.

 

 

 

Die One-Man-Show

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Viele Hände, schnelles Ende!

Alles ohne Hilfe schaffen zu wollen, hat seine Tücken. Nicht umsonst heißt es: Viele Hände schnelles Ende! Manchmal fühlt sich für mich einsames Gärtnern an wie alleine eine Ikea Schrankwand aufzubauen. Ohne dritte Hand wird es schwierig, außerdem werkelt es sich in Gesellschaft angenehmer. Obstbauvereine, Freunde, oder Nachbarn sind dankbare Abnehmer für Überschüsse und packen zumeist gerne mit an. Selbst die Jüngsten haben sichtlich ihre helle Freude daran zu helfen, mit schönen Kindheitserinnerungen an heimliche Himbeer-Nasch-Aktionen inklusive.

 

 

 

 

2.6. Paukenschlagaktionismus

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Aussähen, pikieren, viele Male gießen, Boden Vorbereitung, rauspflanzen, ausgeizen, hacken und… ernten!

Die meisten Tätigkeiten in einem Waldgarten sind kleinteilig, sich wiederholend und lassen sich kaum in Gewaltaktionen bewältigen. Denken Sie wie ein Eichhörnchen. In vielen kleinen Schritten kommen Sie ihrem Ziel oft schneller näher.

 

 

 

 

Dies war Teil Eins unserer Waldgartenreihe. Wir freuen uns sehr, dass Sie bisher hierher durchgehalten haben. Nun haben wir noch ein kleines Anliegen:
Der CityFarm fehlt mit den Hochstämmen zur großflächigen Beschattung ein wichtiges Kernelement eines Waldgartens. (siehe handgezeichneten Grafik am Schluss) Diese Bäume bieten weiträumigen Halbschatten, der die Wasserverdunstung minimiert und die Gemüsekulturen vor intensiver Sonneneinstrahlung schützt. In der Anschaffung, gerade wenn auf erhaltenswerte und vom Aussterben bedrohte Obstsorten gesetzt wird, sind Hochstammbäume unbezahlbar. Trotzdem versuchen wir unser Bestes um dieses Kulturgut zu erhalten. Wenn ihr uns helfen wollt, würden wir uns hier über eine kleine Spende sehr freuen:

https://www.mehrgeben.de/project/boden-braucht-baeume-obstgehoelze-fuer-die-zukunft/

Viele liebe Grüße eure CityFarmer

 

 

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