Vor einigen Monaten gab uns Martin, unser Freund und Verpächter, einen Flyer von „Rettet das Huhn“.
Die Aktion beabsichtigte ca. 1600 Legehennen aus Bodenhaltung an neue Besitzer zu vermitteln, die den Tieren ein neues artgerechtes Heim geben. Martin wollte gern einer davon sein und erklärte sich bereit 10 Hochleistungslegehennen aufzunehmen. Gern standen wir ihm zur Seite, um den Hennen ein neues Heim zu bauen.
Zur industriellen Legehennenhaltung wird in den nächsten Tagen hier ein weiterer Artikel erscheinen, um euch die Tragweite des Problem zu zeigen. Natürlich mit Informationen was jeder von uns dagegen tun kann.
Aber nun zurück zur CityFarm. Zuerst musste also ein neuer Hühnerstall her und was bot sich besser an, als nebenan Martins alten LKW umzubauen. Dieser musste erst einmal ausgeräumt werden. Dabei kamen viele Möbel zum Vorschein, die wir dem Sozialkaufhaus Contact in Augsburg e.V. übergeben konnten. Roswitha und ihr Team kamen dafür spontan mit zwei Sprintern vorbei und schufen uns Platz zum arbeiten. Martin, Benni und weitere fleißige Helfer werkelten schließlich in den vergangenen Wochen am Innenausbau. Der LKW wurde gedämmt, verkleidet und geteilt, sodass zwei Räume entstanden. Der hintere Teil wurde zum Stall und der vordere zur Futterlagerkammer aufgerüstet.
Gestern war es nun soweit, die Hühner wurden im Hochsauerlandkreis aus einer Bodenhaltungsanlage vom Betreiber ausgestallt und durch neue Hennen ersetzt. Normalerweise würden die ausquartierten Hühner nach Holland oder Belgien zu Großschlachtereien transportiert werden. Doch die Aktion „Rettet das Huhn“ schützte die Tiere vor dem Schlachthof. Schon vor Ort im Hochsauerland fanden ca. 1000 Tiere neue Besitzer, die ihnen ein hühnergerechtes Leben geben wollen. Die restlichen Hennen wurden nach Süden gefahren, um sie an drei Haltepunkten weiteren Hühnerfreunden zu übergeben.

Letzte Arbeiten im Hühnerstall
Doch am Vormittag war der Stall noch nicht ganz fertig! Es fehlte noch eine abwaschbare Bodenplatte, die Sitzstangen und ganz viel Stroh. Auch die Bestäubung des Raumes mit Kieselgur stand noch bevor.
Sicher fragt ihr euch was Kieselgur ist, das haben wir uns anfangs auch gefragt.
Kieselgur ist eine pulverartige Substanz aus den Schalen fossiler Kieselalgen, die Siliciumdioxid enthalten. Das Pulver wird zur Behandlung gegen Federlinge und Milben eingesetzt, da es den Chitinpanzer der Schädlinge austrocknet und die Insekten tötet. Damit werden alle Ritzen im Stall bepudert, um eine Ansiedlung der Schädlinge zu verhindern.
Kurz vor knapp wurden wir noch fertig, was wir vor allem unseren Helfern zu verdanken haben!

Umladen der Hühner am Rastplatz
Gegen 15 Uhr ging es schließlich mit Martins Auto Richtung Autobahnkreuz Feuchtwangen. An einem kleinen Rastplatz der A7 sammelten sich schon die Hühnerfreunde, denn hier sollten Hennen ihren neuen Besitzern übergeben werden. Viele von ihnen leben auf dem Land und bieten den Tieren ein Kontrastprogramm zu ihrem bisherigen Dasein in der Legefabrik. Gegen 19 Uhr fuhr schließlich Wolfgang vom Eulhof mit den Hühnern vor. Ein Blick in den Anhänger und unsere Befürchtungen wurden bestätigt. Die Hennen waren größtenteils federlos und in einem erbärmlichen Zustand. Wenigstens besaßen sie noch ihre Schnabelspitzen, denn leider ist das Kupieren der Schnäbel Routine, um Federpicken und Kannibalismus in den Anlagen vorzubeugen.
Das Umladen ging schnell vonstatten und bald befanden wir uns wieder auf dem Heimweg. Unsere 10 Schützlinge beruhigten sich schnell und bald hörten wir vom Rücksitz nur noch Schnarchen. Ja, eines der Hühner hat wirklich geschnarcht aber leider wegen einer Atemwegserkrankung und nicht aus Wohlbehagen.

Verwirrte Hennen bei der Einzug in den neuen Stall
Eineinhalb Stunden später durften sie endlich in ihr neues Heim einziehen. Im Licht wurde uns dann erst das ganze Ausmaß sichtbar. Die Tiere sind klein, dürr, haben entzündete Hautstellen, Durchfall und nur wenige so etwas wie ein Federkleid. Sie stürzten sich auf das Futter als hätten sie Tage nichts gefressen, rannten wirr und gestört umher und boten einen jämmerlicher Anblick, der uns dreien das Herz weinen ließ.
Doch schon bald würden sie echtes Tageslicht und den Himmel sehen können! Es kann nur besser für sie werden!
Heute morgen besuchte Ildi die Hühner wieder und stellte fest, dass die angeborene Neugier in den Hühnern erwacht war.
Neugierig tapsten sie im Stroh umher und erkundeten den Stall. Besonders das Sandbad hatte ihr Interesse geweckt. In der Gruppe standen sie um die Kiste und guckten ratlos den Sand an. Man konnte ihren Schnäbeln beinahe die Gedanken ablesen, falls Hühner so denken. „Häh? Was soll das denn sein? Gaack. Futter? Nein, schmeckt nicht. Häh? Boackbackcack….“
Andere versuchten scheinbar ihre kahlen Stellen am Körper mit Stroh abzudecken. So ein Verhalten hatte Ildi noch nie gesehen. Kalt konnte ihnen nicht sein, denn der Stall war gut geheizt.
Auch ein paar Eier fanden sich im Stroh versteckt. Die Hühner waren ihrem Instikt gefolgt und hatten kleine Nester in die Ecken gebaut. Die eigentlichen Legenester betrachteten sie statt dessen als eine Art Schutzbehausung in denen sich bis zu 5! Hühner gleichzeitig aufhielten (normalerweise passtnur ein Huhn bequem hinein). Wahrscheinlich entspricht die Enge ihren bisherigen Platzverhältnissen in der Legeanlage und sie tun sich mit der Umgebungsveränderung noch etwas schwer.

Die Schwächsten
Liebevoll mischten Martin und Ildi das Futter an, eine Mischung aus Legemehl, Körnern, Bierhefe und Wasser. Die Mischung wird in den nächsten Tagen noch erweitert, um den Tieren eine gute Rundumversorgung zu geben und ihr Immunsystem zu stärken.
Die Umstellung ihrer Lebensverhältnisse zieht leider einige Probleme nach sich, denn der Infektionsdruck auf das Immunsystem verstärkt sich. Bisher wurden sie präventiv mit Antibiotika behandelt, um in den beengten Verhältnissen nicht vorzeitig zu versterben.
Auch das ist eine übliche Praxis der landwirtschaftlichen Massentierhaltung, was den Stoffwechsel der Tiere aber langfristig stark schwächt.
Jeder von uns kennt die Symptome, wenn wir ein Antibiotika verschrieben bekommen und wie lange es dauert bis der Körper sich davon erholt. So dauert diese Phase auch bei den Hennen entsprechend lange und das Immunsystem muss sich erst neu entwickeln.
Leider sind einige der Hennen in derart schlechter Verfassung, dass sie vielleicht die kommenden Tage nicht überstehen.

Die nackten Hühner
Diese Vermutung hat sich leider gerade noch einmal bestätigt, denn Benni kam eben vom Füttern zurück und erzählte von einem Hühnchen, dass zu schwach ist um überhaupt aufzustehen. Vorsichtig setzte er sie in den Futtertrog und wachte über die wackelige Futteraufnahme der Henne. „Den Blick dieses Huhnes werde ich nie vergessen,“ waren seine letzten Worte dazu.
Es ist furchtbar wie sich die Landwirtschaft seit der Industrialisierung entwickelt hat. Tierprodukte wurden zur billigen Massenware und das leiden der Tiere für ein Mehr an Kapital in Kauf genommen. Und da die Nachfrage nach immer billigeren Produkten den Markt erst schafft, liegt hier die Verantwortung auch in den Händen der Konsumenten. Jede Packung Eier aus Bodenhaltung, jedes Produkt in denen solche Eier verarbeitet sind (z.B. Nudeln) unterstützt diese moralisch verwerfliche Tierhaltung.
Wir wünschen uns mehr Achtung gegenüber den Nutztieren!
Sie sollten ihre natürlich angeborenen Instinkte frei und ungehindert ausleben dürfen. Erst wenn wir Menschen ihnen das bieten können, sind wir berechtigt Partnerschaften zum gegenseitigen Nutzen einzugehen. Dazu gehört nicht die Ausbeutung der Lebewesen die in unserer Obhut stehen.
Wir hoffen nun erst einmal, dass alle Hennen die erste Woche überstehen und sich gut einleben. Wenn die Zeit gekommen ist, dürfen sie auch nach draußen und bekommen einen Mann an ihre Seite. Unser dicker Dino, der Araucana-Hahn, bekommt dann seine eigene Hühnerschar. Für die Hennen wird das eine Premiere, denn einem Hahn sind sie noch nie begegnet.

Dino bekommt bald seine eigene Hennenschar