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Kulturpflanzenvielfalt

Wie vor einiger Zeit versprochen, möchten wir euch heute einen Auszug (Text leicht verändert) aus Ildis Diplomarbeit zeigen. Das Kapitel behandelt die sinkende Agrobiodiversität (Vielfalt der Kulturpflanzen und Nutztiere sowie ihre Zucht- und Haltungsweisen).

Mit Beginn der industrialisierten Landwirtschaft im 20. Jahrhundert und speziell dem überregionalen Saatguthandel, ging ein Verlust der weltweiten Kulturpflanzen- und -tiervielfalt einher. Die für diese Agrarform auf hohen Ertrag, Gleichförmigkeit und fehlende Samenfestigkeit (gleiche Eigenschaften und Gestalt wie die Muttergeneration, Samenproduktion, Zeugungsfähigkeit) gezüchteten Nutzpflanzen und -tiere verdrängten innerhalb kurzer Zeit regionalspezifische Arten und Sorten mit oft kulturhistorischem Wert. Dabei ist die Vielfalt von Nutzpflanzen und Nutztieren das Ergebnis einer Zuchtarbeit, die über Jahrhunderte regional angepasste Pflanzen und Tiere hervorbrachte. In der Vielfalt unserer gezüchteten Pflanzen und Tiere spiegelt sich immer die jeweilige Produktionsweise und Lebenskultur der Menschen wieder. Die kleinbäuerlichen Strukturen waren stark in den regionalen Markt eingebunden und brachten eine große Vielfalt an Arten, Sorten, Rassen und innerhalb dieser eine hohe genetische Varianz hervor. In einigen Regionen hatte jedes Dorf seine eigenen, auf die dort herrschenden Umweltverhältnisse angepassten Nutzpflanzensorten wie zum Beispiel der „Esslinger Salat“ (fast ausgestorbene Pflücksalatsorte).

Esslinger Salat auf der CityFarm

Esslinger Salat auf der CityFarm

Mit der industriell betriebenen Landwirtschaft reduziert sich die Agrobiodiversität jedoch dramatisch, viele Sorten und Rassen sterben aus ohne dass es jemand merkt. Angaben der Vereinten Nationen besagen, dass täglich zwei Nutztierrassen unwiederbringlich aussterben.
Wo vor einigen Jahrzehnten noch eine bunte Nutzpflanzenvielfalt unsere Kulturlandschaft schmückte, wie beispielsweise der Lein (Flachs) das Allgäu, dominieren heute homogene Sorten das Landschaftsbild. Auch auf der kleineren Ebene der Nutzgärten reduzierte sich die Vielfalt in den vergangenen 50 Jahren enorm.

Woran liegt das? Was können wir dagegen tun? Mehr dazu im Artikel aus der Diplomarbeit unter Blogthemen: hier klicken…

Wer sich gern näher mit alten Salatsorten beschäftigen möchte, dem empfehle wir diese schriftliche Dokumentation über die Vielfalt alter Salatsorten.

Die CityFarm und die Agrobiodiversität 

Diese Problemtik liegt uns auf der CityFarm besonders am Herzen. Wir wollen keinen Hybridsalat aus dem Gartenmarkt anbauen, der keine Samenfestigkeit besitzt oder Hybridhühner, die zwar im Jahr gut 300 Eier legen aber sich nach 2 Jahren sprichwörtlich “totgelegt” haben und nicht mal mehr als Suppenhuhn taugen. Wir wollen in der Vielfalt der Sorten und Rassen aus den Vollen schöpfen, unser Gemüse selbst vermehren und die Samen im nächsten Jahr zu prächtigen Pflanzen heranziehen. Ebenso wollen wir alten und vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen einen Ort zum (Über)Leben schaffen. Dabei darf aber nicht außer Acht lassen, dass die Haustierrassen als Nutztiere gezüchtet wurden und auch als diese erhalten werden müssen. Diese Tatsache wird von verschiedenen Vereinen und Organisationen wie SlowFood und der Gesellschaft zur Erhaltung alter Nutztierrassen e.V. unterstützt. Hier ein Zitat der Nutztier-Arche:.

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„Die Rückkehr zu traditionellen Nutztierrassen bedeutet auch aus kulinarischer Sicht einen Gewinn: Statt des in wenigen Wochen produzierten geschmacksarmen Fleisches aus der konventionellen Tierproduktion wächst das Fleisch der alten Nutztierrassen langsamer und ist damit mit der geeigneten Fütterung und Haltung auch intensiver im Geschmack. So trägt der Genuss vom Fleisch alter Haustierrassen dazu bei, sie auch in Zukunft zu erhalten“ (http://www.spelsberger-kotten.de/nutztier-arche.html).

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Unser kleiner Rahmen des Geländes der CityFarm umfasst mittlerweile 2 alte Kaninchenrassen und 2 alte Hühnerrassen, die wir euch ja schon vorgestellt haben. Auch wächst auf den Beeten unseres Gartens eine Vielzahl schmackhafter, seltener und teilweise fast vergessener Gemüsesorten, die oft auch optisch ein Genuss sind wie die wunderschöne rote Gartenmelde.  

Atriplex hortensis var. rubra - die Rote Gartenmelde

Atriplex hortensis var. rubra – die Rote Gartenmelde

Diese Gemüsepflanze zierte seit vielen Jahrtausenden fast jeden Hausgarten. Schon die alten Griechen wie auch die Römer wussen diese Pflanze als Heil-, Färber- und Zierpflanze zu schätzen. Die Verbreitung der Gartenmelde reichte von Europa bis in den Himalaja. Ursprünglich stammt die Wildform aus Vorderasien, wurde wahrscheinlich dort kultiviert und gelangte über Handelsrouten in die Gärten der Welt.  Leider verlor die Pflanze in der Epoche des Barocks (ca. 16. Jahrhundert) ihre Bedeutung, da Spinat als neue Modepflanze in die Gärten Einzug hielt. Die Gartenmelde wie auch andere Blattgemüse (z.B. Guter Heinrich) wurden letztendlich vom Spinat verdrängt. In Botanischen Gärten, Pflanzenzüchtungsanstalten und Liebhabergärten hat die Gartenmelde überlebt. Auch bei uns auf der CityFarm wachsen einige Exemplare und geben dem Gemüse- und Blumenbeet mit ihren roten Blättern ein wunderschönen Akzent. Bei einer so schönen Pflanze fällt auch Ildi manchmal das Ernten schwer. Sie kann sich dann nicht entscheiden, welche Blätter im Kochtopf landen sollen, da jedes Blatt eine besondere Zierde der Pflanze ist.
Der Anbau gestaltet sich sehr unkompliziert, wie es auch bei anderen Gänsefussgewächsen wie Spinat oder Mangold der Fall ist. Die Gartenmelde hat keine besonderen Bodenansprüche und gedeiht sowohl im Halbschatten wie auch in praller Sonne. Ob Vorzucht oder Direktsaat am März ist egal.  Wir haben sie vorgezogen und als Jungpflanzen im April ausgepflanzt.
Die Blätter können kontinuierlich geerntet werden. Ein Zurückschneiden bei ca. 20cm fördert erneutes Austreiben, einen buschigen Wuchs und damit mehr Blätter zum Ernten. Die jungen Blätter können als Salat verwendet und die größeren wie Spinat zubereitet werden. Lässt man die Blätter nur kurz im Topf, behalten sie ihre rote Farbe. Bei längerem Kochen löst sich der Farbstoff im Wasser.
Unser Tipp: Roter Kartoffelbrei. Dazu braucht ihr zwei Hände voll Blätter der Roten Gartenmelde, die mit ein paar anderen würzenden Kräutern (z.B. ein paar Sauerampferblätter) püriert und dann unter den Kartoffelbrei gemischt werden. Danach ist normaler Kartoffelbrei langweilig!

Unser Gemüsegarten Ende Mai

Unser Gemüsegarten Ende Mai

Weiterhin können wir euch 10 verschiedene Kürbissorten, verschiedene wilde und alte Tomatensorten, Indianermais, Inka-Gurken und noch viel mehr Außergewöhnliches bieten. Da soll mal einer sagen ein Gemüsegarten könnte nicht spannend sein! Wenn ihr uns besuchen kommt und mehr wissen wollt, dann sprecht Ildi einfach an. Sie wird euch gern durch den Gemüsegarten führen. Kostproben natürlich inbegriffen, denn die Besonderheit der alten und seltenen Nutzpflanzen liegt nicht nur im Aussehen, sondern ganz besonders im Geschmack! 

Cylanthera pedata - Scheibengurke oder Inkagurke

Cylanthera pedata – Scheibengurke oder Inkagurke

Mit dem Verlust der Kulturpflanzenvielfalt, gehen uns leider auch viele kulinarische Freuden verloren. Ein Salat aus dem Supermarkt ist nun mal nicht vergleichbar mit dem wunderbar mild schmeckenden Ochsenzungensalat oder die Inka-Gurke, die es aber leider aufgrund der Sortenzulassung (siehe Blogthemen) niemals im reguläen Handel geben wird.
Von wilden Erdbeeren kennt jeder das Phänomen des intensiveren Geschmacks. Dagegen schmecken selbst die besten Kulturerdbeeren wässrig. Genauso verhält es sich mit wilden oder halbwilden Tomaten. Die Pflanzen tragen oft viele kleinere Tomaten mit unterschiedlichsten Farbeinschlägen. Neben dem intensiven Tomatenaroma sind die Pflanzen auch resistenter gegenüber Krankheiten und Schädlingen und damit fürs Freiland geeignet.

Ist da nicht schon allein der Geschmack schon Grund genug eine alte Sorte zu erhalten? Wir denken schon und geben uns alle Mühe für das kommende Jahr genügend Samen unserer Gemüse zu ziehen, damit auch euer Garten ein Zufluchtsort für alte und seltene Gemüsesorten werden kann!

Geheimnisvolles Tomaten-Blumenkohlbeet

Geheimnisvolles Tomaten-Blumenkohlbeet